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   Roland Exner

Flüchtlinge: Kein Ruck geht durch Deutschland, kein Ruck durch Europa... 

Nicht nur die Meinungen - auch die Bilder prallen aufeinander. Da stehen tausende Geflüchtete im kalten Regen vor geschlossenen Grenzzäunen... Kinder weinen... .  irgendwann können die Menschen weiter, ein scheinbar endlose Schlange. Am 3. November 2015 sagt einer der privater Helfer in einem Interview, auf der Insel Lesbos werden hunderte tote Kinder an den Strand gespült...  Am 20. Oktober 2015, hörte man zum Beispiel in den Nachrichten, dass die syrische Armee eine Offensive gegen "Terroristen" gestartet hat, mit russischer Unterstützung. Und so nebenbei wurde gesagt, eine Stadt sei zerstört worden, etwa 35000 Menschen hätten ihr Zuhause verloren. Die Völkerwanderung geht weiter...  Und nun die anderen Bilder, die Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof: Hunderte nordafrikanisch" aussehende junge Männer kesseln junge Frauen ein, begrapschen sie, rauben sie aus...
Grenzkontrollen sind jetzt - Anfang 2016 - das Thema. "Unberechtigte" gleich an den Grenzen zurückweisen... Inzwischen ist März. In Syrien hat man einen Waffenstillstand (mit Ausnahmen) vereinbart, bei dem unklar ist, inwieweit er funktioniert und inwieweit er der Augenwischerei dient. An der Lage der Geflüchteten "vor den Zäunen" hat sich indessen nichts geändert, trotz politischer Gespräche und diesen und jenen Vereinbarungen. Europa - wenn man es noch als geopolitische Einheit bezeichnen kann - hat kein Konzept. Damals, im April 1997, Bundespräsident Roman Herzog und seine "Ruck-Rede" im Hotel Adlon... "... ein Ruck muss durch Deutschland gehen..." Danach, glaube ich, war auf vielen großflächigen Plakaten zu lesen: "Ein  Ruck geht durch Deutschland" - er wollte so anregen, Resignation und Reformstau zu überwinden... Ob der "Ruck" stattgefunden hat, weiß ich nicht. Ich stelle mir da eine 10 Kilometer lange Autoschlange vor - und jemand gibt an alle durch: "Ruckt euch!" (startet alle: JETZT!).  Aber jetzt würde es passen: Ein Ruck muss durch Deutschland gehen! Und durch Europa...  Aber der Ruck bleibt aus...

Ich hätte da etwas anzubieten. Kein Ruck, aber ein paar Gedanken. Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass in dieser "kapitalistischen" Weltordnung im Prinzip alles gekauft werden kann. Auch Menschlichkeit. Oder anders ausgedrückt: Der politische Wille drückt sich in den meisten Fällen dadurch aus, wohin das durch Steuern eingezogene Geld fließt. Und natürlich auch das Geld, das neu gedruckt bzw. neu als Buchgeld geschaffen wird.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft seit einiger Zeit Monat für Monat von Banken und Großinvestoren für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen, ab April wird die Summe sogar auf monatlich 80 Milliarden Euro erhöht, und es können dann auch Unternehmensanleihen gekauft werden. Begründet wird dies damit, dass die Wirtschaft Europas lahmt. Man befürchtet (oder versucht herbeizureden?), dass die Preise zu sinken drohen und eine Deflationsspirale in Gang gesetzt wird. Also: zu geringe Nachfrage nach Produkten, daher sinkende Preise. dies wiederum würde zu sinkenden Unternehmensgewinnen führen, daraus würden nun wieder Entlassungen folgen usw. usw. Durch den Aufkauf von Anleihen in so riesigen Mengen soll ein "Quantitative Easing" (zu Deutsch: "Quantitative Lockerung") bewirkt werden,  also die Zentralbankgeldmenge soll entsprechend zunehmen. Die Notenbank schafft sich selbst Geld, um Wertpapiere zu kaufen. Mit der Bezahlung der aufgekauften Anleihen soll Geld in die Wirtschaft gepumpt werden. Das klappt aber nicht so recht. Denn das Geld häuft sich bei den Banken. Im Idealfall verleihen die Banken dieses Geld an Unternehmen, die dies sinnvoll und profitabel investieren...

Nun muss man nicht Wirtschaftsprofessor sein, um zu erkennen, dass dies nicht funktionieren kann. 60 Milliarden Euro monatlich zusätzlich profitabel investieren? Geld allein bringt nicht Ideen für sinnvolle und gewinnbringende Investitionen... So funktioniert das nicht. Was machen aber Banken mit Geld, das bei ihnen bergeweise (bzw. als Riesenzahl auf einem Konto) "herumliegt"? Geben sie es etwa dafür aus, um das Flüchtlingsproblem oder andere politische Probleme wie zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit zu bewältigen? Nein, tun sie nicht. Und weil diese Aktionen der EZB nicht funktionieren, wurde die monatliche Geldschwemme noch um 20 Milliarden Euro erhöht, auf insgesamt 80 Milliarden. Nun fasst man sich an den Kopf und fragt sich, was soll das? Wenn die Pferde nicht saufen, so hat es ganz sicher keinen Sinn, einen weiteren Bottich mit Wasser aufzustellen. Ist der Chef der EZB ein Dummkopf? Mario Draghi wirkte 1975 bis 1991 als Professor für Wirtschaftswissenschaften in verschiedenen italienischen Universitäten... bis 2001 lehrte er an der Harvard University. Also ein Experte, aus ausgewiesener Fachmann. Wenn ein solcher Mann einen weiteren Topf Wasser hinstellt, obwohl klar ist, dass die Pferde gar nicht mehr saufen können, dann verfolgt er damit irgendein anderes Ziel. Zunächst einmal geht ein Ruck durch die Aktienmärkte, "die Märkte feiern Draghi", heißt es in der Wirtschaftspresse. Niemand glaubt, dass dieses Geld bewirkt, dass das Flüchtlingsproblem, Jugendarbeitslosigkeit usw. durch diese Geldfluten gemildert werden. Aber dass die Banken mit dem Geld spekulieren, daran glauben "die Märkte". Ich glaube nicht, dass das alles ist. Es geht nach meiner Überzeugung auch um Täuschung. Aber warum. wieso, was könnte dahinter stecken?

Ein Hinweis ergibt sich aus dem weiteren Lebenslauf Draghis. Von 2002 bis 2005 tauchte er quasi ins Zentrum des kapitalen Sumpfes: Er wirkte als Vice President der amerikanischen Bank Goldman Sachs. Zitat aus "Wikipedia": "Bereits während seiner Kandidatur zur EZB-Präsidentschaft im Jahr 2011 kamen kritische Stimmen auf, die Draghis Rolle bei der Verschleierung des wahren Zustandes der griechischen Finanzen durch die griechische Regierung und Goldman Sachs mit Hilfe von off-market swaps hinterfragten. Draghi, der von 2002 bis 2005 für Goldman Sachs in London arbeitete, stritt im Juni 2011 jegliche Beteiligung mit dem Hinweis ab, dass diese Dinge vor seiner Zeit geschehen seien. 2012 kamen erneut Stimmen auf, die insbesondere Draghis vormalige Tätigkeit bei Goldman Sachs als Interessenkonflikt werteten. Die EZB verweigerte die Veröffentlichung von Dokumenten, die Einzelheiten zu den Credit Swaps enthielten."  Weiterhin ist er kein unbeschriebenes Blatt im Zusammenhag mit dem Skandal um die Bank Monte dei Paschi di Siene (MPS) - führe ich hier nicht weiter aus, kann man im Internet nachlesen. Hier, in aller Kürze (ich will ja letztlich beim Flüchtlingsthema bleiben) noch ein Zitat (Wikipedia zitiert die Journalistin Ibrahim Warde): "Die Laufbahn Draghis vom Banker zu politischen Entscheidungspositionen wird als beispielhaft für die Politik von Goldman Sachs betrachtet.  `Schon seit den frühen 1990er-Jahren hat jeder Topmanager von Goldman Sachs einen hochrangigen politischen Posten als logische Krönung seiner Karriere vor Augen. Diese inzestuöse Verflechtung mit der politischen Sphäre erklärt, warum die Bank regelmäßig in die großen Manöver und Strategien im Finanzsektor involviert ist´. "

Hier schließt sich erst einmal die Frage an: Wer hat aus welchen Gründen Draghi und Goldman Sachs geholfen, ihn zum Chef der EZB zu machen? Sieht das nicht nach einem Bündnis von Parasiten aus?

Und jetzt zu dem Spiel mit diesen unglaublichen Geldfluten... die fluten und fluten, aber wohin? Wer weiß das? "... in die Märkte"... "die Märkte feiern..."  Da haben die 60 Milliarden monatlich nicht gereicht? Je mehr Geld geflutet wird, desto unübersichtlicher wird das ohnehin unübersichtliche Geschehen, wer weiß denn, durch welche "Ritzen" hier ein paar hundert Millionen und dort ein paar hundert Millionen fließen, und hier eine Milliarde und dort eine... Mich erinnert das an die Vorgänge bei der deutschen Wiedervereinigung... Dass die EZB nun zum Beispiel auch irgendwelche Schrottanleihen, die Goldman Sachs irgendwo fürn Appel und´n Ei erworben hat, nun ganz offen teuer aufkauft, kann ich mir zwar nicht vorstellen - wohl aber, dass so etwas verdeckt, um ein paar Ecken herum, passiert... Das Wasser findet immer seinen Weg...

Das solche Geldbeträge sinnvoller bzw. überhaupt: sinnvoll eingesetzt werden sollten, kann eigentlich niemand bestreiten, auch wenn das offensichtlich niemand offiziell erklärt, ich habe jedenfalls nichts gehört. Auch das Flüchtlingsproblem könnte - zumindest in einem wesentlichen Punkt - gelöst werden.

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Der Verteilungsschlüssel auf die europäischen Länder für den Kauf der Anleihen im Wert vom monatlich 80 Milliarden Euro richtet sich nach Bevölkerung, Wirtschaftskraft und Ähnlichem - auch ein grober Unfug, den man freilich nicht der Person Draghi anlasten kann.  Das sind offenbar gesetzliche Bestimmungen, die (wenn diese Aussage stimmt), schlicht und einfach geändert werden müssten. Europa hat gerade ein großes Problem zu lösen, die Flüchtlingsfrage (aber auch Jugendarbeitslosigkeit und anderes). Warum wird ein Teil der die vielen Milliarden nicht nach einem Schlüssel verteilt, der unter anderem die Länder in der Weise beteiligt, die Flüchtlinge aufnehmen? Der aktuelle Verteilungsschlüssel begünstigt Deutschland, nämlich mit 27,1 Prozent. Dass das Geld trotzdem nichts bewirkt, liegt daran, dass es auf die Konten der Banken geschoben wird. Es müsste schlicht und einfach dort ausgegeben werden, wo der Bedarf auftritt im Zusammenhang mit dem gerade aktuellen Flüchtlingsproblem.  Griechenland profitiert nur mit 2,8 Prozent von den Anleihekäufen der EZB. In Anbetracht der dort sich ansammelnden Flüchtlinge viel, viel zu wenig, was aber im Moment egal ist, weil auch hier mehr Geld nicht dort ankäme, wo es am dringendsten gebraucht wird. Die Slowakei wird mit 0,8 Prozent bedacht, Slowenien mit 0,4. Polen, Bulgarien, Rumänien usw. erhalten noch nicht einmal solche Brotkrumen, nämlich gar nichts. Diese Länder weigern sich, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen. Wie wäre die Lage, wenn sie monatlich ein paar Milliarden Euro zwecks Aufnahme und Integration der Flüchtlinge erhielten? Würden sie bei der strikten Ablehnung bleiben? Glaube ich nicht. Dass Deutschland die höchste Quote zugute kommt, wäre ja in Ordnung, wenn das Geld auch für die Lösung der Probleme zur Verfügung stünde. Dennoch wäre die Flüchtlingszahl für Deutschland auf Dauer zu hoch. Also Geldquote und Flüchtlingsquote runter - zulasten und zugunsten anderer Länder. Ein Teil der 80 Milliarden Euro monatlich für Lösung des Flüchtlingsproblems (nein... nicht des Problems: aber der Verteilung...) - dann würde man es schaffen.

Einsweilen geht der Irrsinn weiter: Einerseits ein riesiges Problem, das nicht gelöst werden kann - auf der anderen Seite ein Ozean voll Geld, das nicht sinnvoll verwendet werden kann... Und das Seltsamste ist: Beide Bereiche werden immer getrennt voneinander diskutiert. Als hätte das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun....

Und noch etwas ist seltsam: Wenn man, wie behauptet, die Konjunktur ankurbeln will, so ginge das am besten, wenn man das Geld unmittelbar dort ausgibt, wo es direkt benötigt wird. Man baut zum Beispiel Wohnungen für die Bürger, auch für Flüchtlinge. Da muss eine Bank nicht einem Bauunternehmen Geld leihen. Die Kommune könnte den Wohnungsbau direkt mit dem EZB-Geld bezahlen. Das Bauunternehmen wiederum bezahlt seinen Arbeitern Löhne usw. usw.

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